2003 – Der Jahrtausendjahrgang in Deutschland

Vor ziemlich genau vier Jahren habe ich nach vielen Verkostungen und Diskussionen den in sehr vielen Medien bejubelten Jahrgang 2003 für mich bewertet. Dabei kam folgende, exakt 1000 Wörter umfassende Zusammenfassung die ich damals im Freundeskreis veröffentlichte unter dem Titel „2003 Jahrgangsbeschreibung Deutschland – oder 1000 Worte zum Jahrtausendjahrgang“ heraus:

2003 – Der Jahrtausendjahrgang in Deutschland

Seit vergangenem Sommer, einige Wochen vor der Ernte spricht die Presse, sowohl Fachpresse als auch Tagespresse von dem Spitzenjahrgang für deutsche Weine. Jeder mit Verstand ausgebildete Weinfachberater oder Sommelier, jeder in unserer Branche der einen halbwegs gesunden Verstand hat, sollte allerdings kritisch gewesen sein, ob dem wirklich so ist!

Was definitiv korrekt ist, ist die Tatsache dass der letzte Sommer ein Sommer ohne gleichen war, Rekordtemperaturen und extreme Trockenheit sind der Auslöser für die Annahme es sei auch ein „ideales Jahr“ für den Weinbau gewesen.
Die Hitze in den Sommermonaten, sowie die Tatsache dass quasi von Februar bis September kein Regen fiel war für den Weinbau allerdings alles andere als positiv. Die Säure ging durch die Hitze stark zurück, in eher trockenen Lagen rangen die Rebstöcke mit dem Trockenstress. In einigen Lagen war der Wassermangel so dramatisch, dass der Rebstock regelrecht zu verdursten drohte.
Durch diese Trockenheit wurde zwar nicht die Bildung von Zucker gehemmt, der Anstieg der Mostgewichte ging ebenso weiter, bis in vielen Gebieten rekordverdächtige Mostgewichte, teils sogar wirkliche Rekordmostgewichte gemessen wurden. Diese Rekordmostgewichte wurden allerorts gefeiert, zu Recht. Denn noch nie wurden solch enorm hohe Öchslegrade wie in diesem Herbst verzeichnet! Auffällig war vor allem die enorm hohe Dichte mit der solche Ausnahme-Werte verzeichnet wurden.

Diese Öchslewerte waren wohl auch ausschlaggebend dafür, dass der Jahrgang von vornherein bis zum „Jahrtausendjahrgang“ hochgejubelt wurde! Klar muss von offizieller Seite aus alles getan werden, um den Verkauf deutscher Weine anzukurbeln. Allerdings kann man darüber streiten, ob es wirklich sein muss, ja sogar darüber ob es sein darf, dass seitens der Weinbauverbände, Weinbaupräsidenten und so weiter ein Jahrgang nur aufgrund eines messbaren Wertes voller Übermut in den Himmel bewertet wird. Man weiß doch, dass Öchslegrade, sprich Zucker alleine noch keinen guten Wein macht. Es sei denn man misst die Qualität eines Weins nicht an Harmonie und Geschmack, sondern an seinem Alkoholgehalt. Dann wiederum würde man Wein als Rausch-, nicht mehr als Genussmittel betrachten, was auf keinen Fall im Sinne der Verbände, noch im Sinne der gesamten Weinbranche ist.

Wer wie ich in den vergangenen Wochen und Monaten zahlreiche Weine des Jahrgangs 2003 verkostet hat, hat mit großer Wahrscheinlichkeit den gleichen Eindruck wie ich:

Mit einigen Weinen, seltenst ganze Programme von Weingütern war 2003 ein schwieriges Jahr. Speziell im Hinblick darauf, was eigentlich den deutschen Wein ausmacht, nämlich frische spritzige Weißweine, wie man sie kaum sonst wo auf der Welt findet, war 2003 ein sehr schwieriges Jahr.
Während im Bereich der edelsüßen Weine die hohen Öchslegrade der Qualität der Weine eher positiv zugetragen haben, war der Jahrgang für die Erzeugung trockener Weißweine eher problematisch. Viele Weine wirken etwas fad, langweilig. Die mangelnde Säure durfte letztes Jahr erstmals mit zugesetzter Weinsäure ausgeglichen werden. Allerdings ist dies nur einer guten Hand voll Winzer und Kellermeister wirklich unmerkbar gelungen! Bei anderen Weingütern hingegen wirkt die Säure dermaßen daneben und aufgesetzt, da fragt man sich ob es nicht doch ohne besser gewesen wäre.
Bei anderen Weinen wiederum haben sich die enorm hohen Öchslegrade in einem teils absurd hohen Alkoholgehalt niedergeschlagen, Alkoholgrade jenseits der 15 % vol. waren speziell in der Südpfalz bei vielen Weingütern die Regel bei den Burgunderrebsorten.
Einige Weingüter haben aus diesem Grund ihre Weine alle mit möglichst viel Restsüße ausgestattet, um den Alkoholgehalt in einem doch eher normalen Bereich zu halten. Diese Weine haben dann zwar etwas weniger Alkohol, wirken jedoch aufgrund mangelnder Säure und relativ hoher Restsüße breit, langweilig und unharmonisch!
Auch der Versuch die Trauben möglichst früh zu lesen, um den Alkoholgehalt geringer zu halten, hat sich gerächt, trotz dass die Öchslegrade schon weit mehr als ausreichend waren. Die Rache sind Weine die eine deutlich spürbare Bitternote aufweisen. Ein trockener, vom Alkoholgehalt leichter Wein (Riesling QbA mit 12,5 % vol. Alk., ohne Anreicherung) der adstringierender ist als mancher Rotwein? Nein danke!
Natürlich ist der Jahrgang 2003 nicht nur schlecht, nicht alles negativ. Weintypen, die sich ohnehin durch eine milde Säure auszeichnen, leiden auch dieses Jahr nicht unbedingt unter zu geringer Säure. Bei ihnen wird eine gemildertes Säureempfinden eher positiv angenommen, weswegen gerne falls die Säure etwas zu hoch ist, mit einem biologischen Säureabbau gezielt einleitet.
Jeder Weintrinker der Magenprobleme hat wird sich an der milden Säure erfreuen, wird wieder mit Genuss zum Riesling greifen können. Liebhaber rassiger, säurebetonter Rieslinge hingegen, zu denen ich auch meine Wenigkeit zähle, werden allerdings bei Verkostungen häufig enttäuscht. Übermäßig breite, volle Weine sind an der Tagesordnung. Auch sie haben ihren Reiz. Zwar nicht als leichter Sommerwein, aber man findet durchaus den einen oder anderen Trinkanlass. Für Deutschland sind und bleiben diese Weine aber eher untypisch, ja sogar gewöhnungsbedürftig, da man diesen Stil Wein bislang nahezu ausschließlich aus weiter südlich gelegenen Anbaugebieten gewohnt war.
Einige deutsche Weingüter, mit darunter einige namhafte, allerdings auch sehr viele kleinere oder gar kleinste Familienweingüter jedoch hatten entgegen allen Widrigkeiten die Natur auch im Sommer und Herbst 2003 im Griff, woraus teils herausragende Weine entstanden.
Die Qualität der Lage ist nicht immer Garant einer guten Qualität. So war es im Jahr 2003 gar so, dass einige Lagen, die sonst als eher klimatisch benachteiligt gelten, hervorragende Weine zu Tage brachten.

Mit Beurteilungen bezüglich Rotweinen bin ich momentan auch eher vorsichtig, da sich nach wie vor noch sehr viel in der Vinifizierung befindet. Ersten Verkostungen, teils auch Fassproben nach ist 2003 ein gutes bis herausragendes Jahr gewesen. Allerdings sollte man auch in Bezug auf Rotwein immer bedenken: Zucker alleine macht keine großen Weine.
Es bleibt abzuwarten, wie viele Rotweine ausgeprägte Marmeladen-Töne bis hin zu verbranntem Kompott aufweisen, dann bleibt wieder die Frage nach dem großen Jahrgang.
Wer Rotweine mag, die über 14,5 % vol. Alkohol mitbringen, wird bald auch auf deutsche Weine zurückgreifen können (Neue Welt und Süditalien seid gegrüßt)!

Als Fazit meiner Verkostungen könnte man dahinstellen, das ich gut beraten bin mit meinem Sommerwein aus 2002, mir aber einige eher Säuremilde Süßweine einlagern werde für schlechte Zeiten. Wie diese sich weiterentwickeln bleibt abzuwarten! Ebenso blicken wir alle gespannt auf die Abfüllung und die ersten Verkostungen der „großen Rotweine“.

…am Schönsten ist es so einen Bericht vier Jahre später noch einmal zu lesen!

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