Die Mußbacher Eselshaut

Vor fast viereinhalb Jahren habe ich mich mit der Mußbacher Eselshaut auseinandergesetzt um einem italienischen Freund diese Pfälzer Lage etwas näher zu bringen und verständlicher zu machen, ja auch um ihn ein wenig für die Pfälzer Weine zu motivieren (Riesling Spätlese trocken Mußbacher Eselshaut ist eben etwas komplexer als Pinot Grigio IGT). Heraus kam folgendes:

Die Mußbacher Eselshaut

Mußbach, ein Stadtteil von Neustadt an der Weinstraße, liegt etwa eineinhalb Kilometer nordöstlich von Neustadt. Die dazugehörigen Lagen bilden demnach die südliche Grenze der Mittelhaardt, die ihrerseits wiederum als bestes Anbaugebiet für bedeutende Rieslinge mit saftiger Fülle. Die Weinberge Mußbachs liegen allesamt in der Großlage Gimmeldinger Meerspinne. Diese Großlage selbst hat, rein Namenstechnisch, einen genauso großen Reiz wie die Mußbacher Eselshaut. So hat die Meerspinne nichts mit irgendwelchen vorsintflutlichen Tieren zu tun, die in den Weinbergen versteckt vor sich hin leben, sondern der Name kommt vielmehr daher, das dort früher eine nasse Wiese lag. Mittelhochdeutsch „wünne“ war das Wort für Wiesengelände und „Meer“ stand für alles Land das feucht war (das „richtige“ Meer wurde wie noch heute im Norden üblich See genannt). So wurde über Generationen hinweg aus der „meerwünne“ durch die mundartliche Veränderung die heutige Meerspinne (hört sich als Weinbezeichnung auch ansprechender an, als nasser Wiesengrund). Innerhalb der Gimmeldinger Meerspinne liegt die Mußbacher Eselshaut südsüdwestlich von Mußbach. Die Eselshaut selbst zieht sich von Mußbach nach Westen bis nach Haardt, nach Südwesten bis vor die Tore Neustadts. Geteilt wird dieser wundervolle Weinberg lediglich durch die Straße, die von Mußbach nach Neustadt führt, und den Mußbach selbst, der von Gimmeldingen kommend durch den unteren Teil der Lage fließt, zwischen Neustadt und Mußbach hindurch, schließlich in den Rehbach mündend. Wahrscheinlich verdankt die Meerspinne den vielen kleinen Bächen ihren Namen!
Der Teil der Lage, der südöstlich der Straße liegt ist nicht von hoher qualitativer Bedeutung, vielmehr ist es der Rebberg, der sich Richtung Westen, bis nach Haardt hin, der immer wieder auf sich Aufmerksam macht durch Winzer die aus dieser Lage große Weine keltern. Dieser Teil der Eselshaut ist als Lage Klasse I eingestuft, immerhin ein drittel der gesamten Eselshaut.
Die Mußbacher Eselshaut hat ähnlich der Gimmeldinger Meerspinne einen Namen, der aus der Tierwelt kommt und zum fantasieren einlädt. Aber auch hier haben wir es wieder mit einem Kuriosum der Pfälzer Sprache zu tun, das sich über Generationen hinweg eingestellt hat! So ist die heutige Eselshaut nicht nach der Haut der Grauröcke, der Esel benannt, sondern nach der Weide, auf der früher die Esel eines Ortes, wahrscheinlich Neustadts, gemeinsam gehütet wurden. Erst später erkannte man, wie geeignet dieses Areal für den Rebbau war. Als dann die „Eselshüte“ zu Weinbergsland umfunktioniert wurde, blieb sie nur noch als Namensgeber für den Rebberg erhalten.
Die Lagen um Neustadt, besonders im Norden, befinden sich im Schutz des weiter westlich gelegenen Weinbiets. Der Weinbiet, ein Berg mit 553 Meter Höhe ist Teil des Pfälzer Waldes, der die Mittelhaardt vor schlechtem Wetter bewahrt. Im Regenschatten dieser stark bewaldeten Berge kommen die Reben in den Genuss von viel Wärme und Sonne. Während etwas weiter nördlich, im Bereich um Forst und Deidesheim, des öfteren Trockenstress insbesondere in trockenen oder gar dürren Jahren den Reben zusetzt, bewegt sich der Flüssigkeitshaushalt in dem Gebiet nördlich von Neustadt meist in einem angemessenen Rahmen. Vermutlich profitiert die Mußbacher Eselshaut davon, dass der Mussbach quasi durch sie hindurch läuft, zumindest über große Teile hinweg an ihr entlang fließt. Ansonsten, so könnte ich mir vorstellen, hätte vielleicht auch die Eselshaut in trockenen Jahren größere Probleme. Dies dürfte der Fall sein, da der Boden eher zu den leichteren gehört. Lehmiger Sand ist eben nicht gerade als Feuchtigkeitsspeicher bekannt.
Die Pfalz allgemein ist für ihr mildes Klima und den früh einsetzenden Frühling schon jeher bekannt. Schon König Ludwig I. von Bayern nannte die Pfalz „schönste Quadratmeile der Pfalz“. Wahrscheinlich war auch er sehr angetan von allem das sich im Frühjahr bedingt durch das milde Klima und den früh einsetzenden Lenz dort so alles regt: Die Mandelblüte setzt ein, ein Volk beginnt zu feiern, alles grünt und blüht. Später im Jahr reifen dann sogar Feigen und Esskastanien, beides kulinarisch betrachtet Wahrzeichen der Pfalz, ja sogar Kiwis und Zitronen werden im südländischen Flair der Pfalz reif.
Vielleicht freuen sich die Pfälzer auch deswegen so sehr über die vergleiche mit der Provence und der Toskana, weil diese Regionen auch nicht nur für ihre lukullischen Genüsse Weltbekanntheit erreicht haben, sondern auch mit ihren Weinen. Die Pfalz seit jeher bekannt für große Rieslinge weckt seit geraumer Zeit mit Rotweincuvées Interesse, die den internationalen Vergleich in keinster Weise fürchten müssen.
Die Eselshaut allerdings zeichnet sich eher durch eine Eleganz aus, die in Verbindung mit den Aromen einer Bukettrebsorte aber auch eines hoch reifen Rieslings, meist halbtrocken oder edelsüß ausgebaut einen derart vielschichtigen, aromatisch-fruchtigen Wein gibt, der wenn er aus einem guten Keller kommt noch Tage später in Erinnerung bleibt. Die zarte Süße pariert von einer kernigen Säure, finessenreiche Aromatik.
Wer einmal morgens einen solchen Wein trank, während er vom Haardter Schloss herab über die Rheinebene in die langsam steigende Sonne schaut, der freut sich darüber, das noch kein Italiener, kein Franzose herausfand, was es heißt einen Pfälzer Wein zu verstehen.

„es iss wie mer’s nemmt!“

So sagt der Pfälzer wenn jemand nicht die Weine der Pfalz versteht. Doch warum sollen dann wir Pfälzer die Weine anderer Kontinente, anderer Länder, anderer Anbaugebiete verstehen wollen? Wer einmal die Mittelhaardter Rieslinge, die Südpfälzer Burgunder oder die ausgefallenen Spezialitäten der nördlichen Weinstraße kennen gelernt und auch verstanden hat, der braucht nichts das nicht in der Pfalz wächst zum Glücklich sein!

Abschließend sollte jeder, der den Pfälzer Wein noch nicht verstanden hat, einfach nur versuchen die Pfalz und ihre Menschen zu verstehen, denn dort weiß man noch was Gastfreundschaft ist. Dort ist man willkommen. Und bei jedem Besuch in der Pfalz lernt man etwas gänzlich neues, bei jedem Besuch entdeckt man eine neue Seite, mal an der Pfalz, aber manchmal auch an sich selbst.

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