2007 Jahrgangsbeurteilung Deutschland

Große Weine aus großen Jahrgängen begeistern uns jederzeit. Wenn, so wie auch mit dem Jahrgang 2007 geschehen, in sämtlichen Medien noch während die meisten Weine vor sich hin gären, bereits der Jahrgang als großer oder herausragender Jahrgang tituliert wird, verliert auch so mancher Kenner zumindest einen Teil seiner Kritikfähigkeit. Mir dessen bewusst, kritischer Zweifler der ich nun einmal bin, habe ich in den vergangenen Wochen viele Weine aus dem Jahrgang 2007 verkostet. Parallel gab es ja auch ausreichend groß angelegte und umfangreich kommunizierte sowohl seitens der Fachverlage, als auch diverse anderer Zeitschriften. Die Superlative die überall hoch bejubelt werden kann man allerdings auch in Frage stellen!

Was zeichnet einen deutschen Spitzenjahrgang oder gar einen Jahrhundertjahrgang aus?
Er sollte natürlich durchweg zu Spitzenweinen geführt haben! Bei meinen Verkostungen habe ich allerdings wenig dieser Homogenität gefunden. Während gerade die mir am nahesten liegenden Weinbauregionen Nahe und Pfalz, aber auch Rheinhessen und die Mosel einen im Allgemeinen durchweg sehr guten Eindruck hinterließen, war dies nicht überall der Fall. Der Rheingau, aber auch Teile Frankens hingegen konnten qualitativ da nicht mithalten. Gerade in diesen Weinbaugebieten war nicht nur die Qualität insgesamt weniger hoch, auch die Schwankungen, die teilweise innerhalb weniger Kilometer Weinberge festzustellen waren, waren enorm. Das Weinbaujahr 2007 war geprägt von Extremen. Extrem ist nur nicht immer gleichzustellen mit extrem gut. Der Witterungsverlauf im Jahr 2007 war geprägt durch ein sommerliches Frühjahr mit Temperaturen im April die wir sonst erst im Hochsommer erwarten. Dies führte dazu dass die Reben bereits sehr früh austrieben. Genauso früh blühten die Reben dann auch. Die frühe Ernte die bereits Mitte Mai begann, die früheste Ernte aller Zeiten, ließ manchen Winzer auf eine Lese schon im August hoffen. Nur wenige Wochen nach der Blüte hingegen kam Ende Juni kühles Klima mit feuchter Witterung nach Deutschland gezogen.

Durch diese bis August anhaltende Kühlwetterperiode wurden all jene Winzer die auf eine frühe Ernte spekulierten enttäuscht. Von Reife war noch keine Spur. Auch nach diesem kühlen Klima kam nur sehr zögerlich überhaupt noch ein wenig Sommer. Der Spätsommer mit seinen kalten Nächten brachte die ersehnte Reife auch noch nicht. Grund hierfür sind die kalten Nächte, in denen sich die Säure der Trauben nicht abbauen kann. Positiv zu sehen hingegen die damit verbundene verlängerte Reifeperiode, da so umso mehr Aromen in den Beeren gebildet wird und sich entwickeln kann. Einige Winzer konnten sehr gut mit dieser um etwa 40 % längeren Reifeperiode (zum Teil wohl sogar bis 50 % länger) umgehen, andere hingegen weniger. Die Rebstöcke nutzen diese Phase zum Einlagern von Mineralien und Nährstoffen. Dadurch werden die Weine tendenziell reichhaltiger und üppiger. Nach dem spätsommerlichen August stellte sich ein angenehmer sommerlicher September ein. Vielerorts konnte man bereits Ende September ausreichend hohe Öchslegrade messen.

Der Oktober
brachte noch lange Zeit fast sommerliches Klima, lediglich die Nächte waren kühler. So waren dann selbst im Oktober die Trauben gemessen an den Öchslegraden zwar längst Reif, nur hatte sich noch keine physiologische Reife eingestellt. Die Winzer die zur Bestimmung des Lesezeitpunkts voll auf ihr Refraktometer setzten begannen vielerorts nun mit der Lese. Mangels Traubenreife entstanden dadurch Weine mit einer stark ausgeprägten Säure die auch aromatisch eher vegetabil und unreif sind. Der Alkoholgehalt dieser Weine liegt trotz allem bereits im oberen Bereich. Mancherorts schien die physiologische Reife gar nicht mehr einsetzen zu wollen. Betrachtet man den gesamten Vegetationszyklus, erkennt man dass der Jahrgang 2007 für den Winzer kein einfacher Jahrgang war und auch nicht pauschal als Spitzenjahrgang Darstellung finden kann.

Wer hat nun aus dem Jahrgang 2007 die besten Weine produziert? Diese Frage zu beantworten fällt mir recht einfach. Meine Beobachtungen zeigten, dass nur die Winzer die die Geduld hatten die langwierige Reifeperiode bis zum Ende abzuwarten und erst dann zu lesen wenn sich auch die physiologische Reife eingestellt hatte. Je nach Rebsorte und Standort war dies im Zeitraum zwischen Anfang bis Mitte September und Anfang November der Fall. Die Lese war durch das meist trockene Wetter gut planbar. Die Realität in den Weinbergen aber sah so aus, dass zur physiologischen Reife bereits in meiner Schätzung nach mindestens zwei Dritteln der Weinberge die Lese abgeschlossen war. Das ganze Jahr über war es auch erforderlich viel und sorgsam im Weinberg zu arbeiten, damit man die Trauben über den nasskalten Sommer bis hin zum späten Lesezeitpunkt kultivieren zu können.

Zweifellos ist der Jahrgang 2007 ein interessanter und spannungsgeladener Jahrgang mit einigen Weinen die man getrost als herausragend bezeichnen kann. Die Weine haben ein solides Säuregerüst, wenn zu früh geerntet grün wirkend. Die Weine reichen von ausgeprägt mineralisch oder dichtes fruchtiges Aroma bis hin zu derb und grün. Harmonie findet man nur bei den Winzern die den gesamten Jahrgang im Griff hatten und voll auf Qualität gesetzt haben. Diese Weine haben dann durchaus das Potential als große Weine bezeichnet zu werden, mancherorts auch als wahrhaft große Weine. Diese zeigen sich dann mit enormer Tiefe, ausgeprägter Mineralität, präsentes Säuregerüst und brillanter Harmonie mit einem enormen Reifepotential.

Man kann den Jahrgang gerne als Ausnahmejahrgang bezeichnen, nur sind Ausnahmejahre auch nur selten einfache Jahre. Wenn man heute zurückblickt auf die Berichte im Frühjahr und Frühsommer, bekomme zumindest ich den Eindruck als ob man da nicht wirklich umfangreich verkostet und nicht ausreichend recherchiert hätte. Wenn man bedenkt, dass in Deutschland über 102.000 Hektar mit Reben bestockt sind und sich die deutsche Rebfläche von extrem warmen Spitzenweinbergen wie in Baden oder an der Ahr bis hin zu beliebigen „Rebäckern“ die auf Masse getrimmt sind auffächert, bleibt ohnehin die Frage wie so eine gleichmäßig gute Qualität ohne Ausreißer zustande kommen soll.

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